Das Gurkenbrot oder: wie ich als Mama in stressigen Situationen zurück in meine Mitte kommen kann und da auch bleibe

Es ist 18 Uhr. Während dein Kleinstes gerade nochmal im Wohnzimmer so richtig aufdreht und sämtliche Legosteine, Schleich-Tiere und alle Kleider, die es schon alleine ausziehen kann innerhalb von Sekunden wie in einem Tornado zu einer einheitlichen Masse verarbeitet, versuchst du nebenbei in der Küche das Abendessen für dein älteres Kind vorzubereiten. Du springst hin und her zwischen Kleinkind im Wohnzimmer, Abendessen in der Küche und nebenbei unbedingt noch schnell eine Wäsche in die Maschine schmeissen.

Der Tag war lang. Kleinkind schon seit 5 Uhr wach. In der Arbeit war es stressig. Mann auf Geschäftsreise. Jetzt willst du einfach nur den Abend rumkriegen und dich auf dem Sofa ausstrecken. Endlich geschafft. Essen fertig. Du rufst deinen Großen zum Abendessen. Doch der kommt und schreit nur laut: “Igitt, ich hasse Käsebrot mit Gurke!”. Da passiert es. Das war der Tropfen. Der eine. Der das Fass zum überlaufen bringt…. Du flippst aus. Schreist rum. Dass es dir reicht. Du hast dir so eine Mühe gemacht und bekommst nur Gemecker dafür. Du wirst immer lauter und fuchtelst wild mit den Armen rum. Läufst wütend auf und ab.

Ganz schön laut für ein Gurkenbrot.

Kennst du so ein Szenario oder ein ähnliches? Bist du auch schon öfter ausgeflippt und hast herumgeschriehen, weil du einfach keine Nerven mehr hattest? Und der Auslöser ist irgendetwas Lächerliches, wie ein Gurkenbrot?

Mach dir keine Vorwürfe, denn das ist garantiert schon jeder einzelnen Mama auf diesem Planeten passiert. Ich möchte dir ein paar Tipps geben, was du tun kannst, wenn es passiert ist und du es nicht mehr rückgängig machen kannst. Und wie du beim nächsten Mal anders reagieren und vorbeugen kannst, damit es in Zukunft immer weniger passiert.

Wir Mamas sind alle nur Menschen. Unsere Tage sind einfach zu voll. Die Termine zu viele. Die Anforderungen zu hoch.

Nicht, dass wir nicht jeder einzelnen dieser Anforderungen gewachsen wären. Aber in der Summe sind sie schlichtweg zu viel.

Irgendwann, nach wochen- oder monatelangem Durchhalten brennt bei jeder mal die Sicherung durch. Mal früher, mal später. Je nachdem, mit wie viel Arbeit, Schlafmangel und Alltags-Herausforderungen man zu kämpfen hatte. Die Nerven werden immer überreizter. Und obwohl die Erziehungs-Ideale eigentlich wo ganz anders liegen, schlittert man Schritt für Schritt in eine Genervtheit und Gereiztheit hinein. Irgendwann kommt dann das Schreien. Vielleicht nur kurz. Dann wieder. Dann immer öfter.

Oder vielleicht Türen-Knallen. Oder In-Sich-Reinfressen. Unterdrücken-Aber-Laut-Losbrüllen-Wollen.

Solche Momente sind schlimm. Danach fühlt man sich noch erschöpfter und vor allem nagt das schlechte Gewissen an einem.

Deshalb ist es jetzt ganz wichtig, wie du damit umgehst. Hier ist mein Tipp, wie man nach einer Schrei-Attacke wieder Ruhe einkehren lässt:

  1. Gehe am besten kurz aus dem Zimmer und bringe räumlichen Abstand zwischen dich und dein Kind, das der Auslöser war. Nur für 3 Minuten. Setze dich kurz hin, atme tief durch. Vielleicht setzt du dich zu deinem Kleinsten an den Boden, räumst ein paar Legosteine auf - das entspannt - und beruhigst es, denn es ist bestimmt erschrocken, weil du rumgeschriehen hast.

  2. Verzeihe dir. Du weißt, dass du gestresst bist und dass deine Nerven blank liegen. Nimm dir vor, am Abend, wenn alle Kinder schlafen, die Situation für dich zu reflektieren. Aber nicht jetzt. Jetzt ist es schon passiert. Atme tief durch und verzeihe dir. Du bist nicht perfekt. Du bist einfach nur erschöpft. Deine Reaktion ist normal. Sie ist sogar gut. Sie zeigt dir an, dass du etwas ändern musst. Dazu kommen wir später.

  3. Nach ein paar Minuten Durchatmen rufst du dein großes Kind und besprichst KURZ was passiert ist. Rechtfertige dich nicht, stehe zu deinen Gefühlen. Sonst verwirrst du es vollkommen. Erkläre in einem oder maximal 2 Sätzen, warum du wütend warst. Z.B. “ ich bin müde von der Arbeit und da hat es mich geärgert, dass ich mir die Mühe mache, dir was Leckeres zum Abendessen zu machen und du meckerst nur rum”.

  4. Entschuldige dich. Aber nicht für deine Gefühle. Die sind nämlich OK. Du darfst dich ärgern. Entschuldige dich, dass du so laut geworden bist. Denn das ist, was deinem Kind weh tut. Vielleicht läßt es sich in den Arm nehmen. Sage etwas, wie: “ich war vorhin wirklich wütend, aber es tut mir leid, dass ich so laut deshalb geworden bin.”

  5. Jetzt könnt ihr eine Lösung finden. Gemeinsam könnt ihr zum Beispiel besprechen, was ihm schmeckt und welches Brot er vielleicht das nächste Mal lieber hätte.

  6. Dein Kleinkind sitzt einfach dabei und lernt gleich, wie toll es ist, wenn man Konflikte lösen kann.

So. Situation erst mal geschafft. Das ist dir bestimmt auch schon oft gelungen und diese Vorgehensweise ist nur ein Beispiel. Eine Idee, wie du damit umgehen kannst.

Noch viel wichtiger ist jedoch, wie du das nächste Mal reagierst, wenn du es wieder hochkommen fühlst. Wenn du wieder in einer stressigen Überkoch-Situation steckst. Wenn es wieder rund geht und du einfach nur deine Ruhe willst. Es ist nämlich gar nicht so schwer, einen Wutanfall abzufangen. So wie alles, sind unsere Reaktionen nämlich meistens nur Gewohnheiten und die kann man ganz leicht ändern.

Also zoomen wir uns zurück in die Ursprungs-Situation (an dieser Stelle kannst du dir ein Zurück-Spul-Geräusch vorstellen ;-)). Du stehst wieder in der Küche, Kleinkind werkelt im Wohnzimmer rum. Gurkenbrot steht auf dem Tisch. der Große schreit “Igitt! Ich hasse Gurkenbrot!”

Du bist wütend. Enttäuscht, dass deine Mühe nicht wertgeschätzt wird. Aber jetzt atme erst einmal tief durch, schaue deinem Kind einfach nur in die Augen und frage dich (leise, im Inneren) folgende Frage: obwohl mich das Verhalten meines Kindes wütend macht und mich trifft - ist das wirklich die Ursache für meine Gefühle? Oder ist es nur eine Lappalie, die als Auslöser dient?

Diese Frage ist entscheidend. Nein, ist es nicht. Das Verhalten von deinem Kind oder deinen Kindern ist nicht der Grund dafür dass du rumschreist. Es ist vielleicht ärgerlich und man muss gegebenenfalls darüber sprechen. Aber der Grund liegt woanders. Der Grund ist, dass du schon zuviel in dir angestaut hast. Zu viel Runtergeschluckt. Auf später verschoben.

Deshalb jetzt gehts erst mal nur um eins: ruhig bleiben. Nochmal tief durchatmen. Und erlaube dir deine Gefühle. Du bist wütend, müde, genervt (oder was auch immer für dich im Moment hoch kommt).

Erlaube auch deinem Kind, wie es sich fühlt. Es hatte wahrscheinlich auch einen stressigen Tag und du bist der sichere Hafen, wo es sich traut, den Frust, Stress und ebenfalls unterdrückte Bedürfnisse abzulassen. Es klingt zwar erstmal komisch. Aber dass dein Kind so rumschreit und meckert ist zunächst mal ein gutes Zeichen.

Weil es dir vertraut und dir zeigt: Mama, ich bin auch erschöpft. Hier geht es darum, nun ganz ruhig Grenzen zu setzen. Zum Beispiel, dem Kind zu sagen, dass es dir das ja auch freundlich sagen kann und dass es halt den Käse und die Gurke zur Seite legen soll und sich etwas anderes holen. Problem gelöst. Bingo.

Das Kind fühlt sich verstanden und geliebt, auch wenn es dein Gurkenbrot hasst. Dich liebt es aber.

Und du bist ruhig geblieben und hast die Situation gemeistert und zwar (ich fasse zusammen):

  1. Indem du erst mal tief durchgeatmet hast und dir die wichtige Frage gestellt hast: ist das Kind jetzt in diesem Moment mit seinem Verhalten die Ursache für meine Gefühle oder ist es nur der Auslöser?

  2. Indem du nochmal tief durchgeatmet und eine alternative Gurken-Lösung gefunden hast.

  3. Indem du dir deine Gefühle erlaubt hast.

  4. Indem du deinem Kind seine Gefühle erlaubt hast.

Jetzt bleibt nur ein Punkt: 

5. Den ersten Schritt tun, um für dich etwas zu ändern, was dich langfristig aus der Erschöpfungs- und Überforderungsspirale rausbringt.

Der fünfte und letzte Punkt ist wesentlich. Denn diesen musst du langfristig in dein Leben einbauen. Dann werden solche Momente, wo du überreagierst, rumschreist oder dich einfach nur furchtbar fühlst immer weniger werden.

Stattdessen kannst du lernen, sogar noch mitten im Chaos Kraft zu schöpfen und wieder in deine Mitte zu kommen. Nicht erst später, wenn alle schlafen. Oder am Wochenende oder im Urlaub. Jetzt gleich.

Es geht darum, dass du regelmäßig und jeden Tag kleine machbare Dinge in deinen Tag einbauen lernst, die dich entspannen, dir Spaß machen oder dir einfach nur eine kleine Auszeit geben.

Wenn diese Auszeit im Außen gerade nicht möglich ist, weil deine Kinder da sind, wach, aktiv und deine Aufmerksamkeit fordern, dann binde sie in deine Entspannung mit ein.

Sie sind nämlich nicht der Grund für deine Erschöpfung. Du bist es. Weil du dich selbst und deine Bedürfnisse ignorierst. Und Ausreden erfindest, warum sich unter den Umständen deine Bedürfnisse nicht befriedigen lassen.

Aber es ist möglich. Vielleicht musst du nur loslassen, “wie” es aussieht.

Ich finde es zum Beispiel sehr entspannend, mich manchmal mitten im Chaos auf den Boden zu legen, mir eine Liegefläche zwischen all den Spielsachen freizuschaufeln und aus der Perspektive meiner Kleinen die Situation wahrzunehmen. Einfach ohne einzugreifen (soweit es geht) und nur zur Beobachterin zu werden. Wie sie spielen. Wie sie so aktiv und lebendig sind. Herrlich. und ich kann da liegen, mich entspannen und dabei zusehen.

Oder mein Favorit: Waldspaziergang. Mein Kleiner dreht jeden Stein um. Da kommt man einen Meter weit pro Viertelstunde. Was kann es Entspannteres geben? Sich ins Kornfeld legen. Den Vögeln lauschen. Tief durchatmen. Entdeckungen machen ohne bestimmtes Ziel.

Ob mit oder ohne Kind. Du bist erwachsen. Du bist für dich verantwortlich. Du und nur du kannst dich um deine Bedürfnisse kümmern.

Um langfristig in deine Mitte zu kommen und da auch zu bleiben (zumindest die meiste Zeit) ist es wichtig, dass du lernst, kleine Zeitfenster für dich zu finden und zwar jeden Tag. Kleine Kraftoasen für dich zu entdecken und zwar jeden Tag. Zur Ruhe zu kommen und in stressigen Situationen die Ruhe zu bewahren.

Es geht um keine großen Veränderungen und einschneidende Meilensteine.

Es geht um machbare kleine Schritte. Um alltägliche Dinge, die du leicht einbauen kannst in deinen Tag. Um kleine Verwöhneinheiten für dich, die Großes bewirken.

MamaMeditation möchte genau das vermitteln. Es ist mein Wunsch, mit vielen Tipps und Tricks Mamas zu helfen, diese machbaren Schritte zu gehen. Für einen entspannten Alltag. Für ein glückliches Familienleben und mehr Gelassenheit. Damit langfristig das wichtigste Glied in der Familie glücklich und gelassen ist: das bist du, Mama!

Alles Liebe,

Deine Verena

P.S. Meine Beispiele sind erfunden und da jede Mama eine unterschiedliche Familienkonstellation hat, ist es schwer, allgemeingültige Beispiele zu bringen. Mit einem Teenager auf Augenhöhe zu sprechen sieht anders aus, als mit einem Grundschulkind. Der Alltag mit 1 Kind ist anders strukturiert als mit 4. Wie ist es für dich? Ich würde mich freuen von dir und deiner Familie zu erfahren. Was sind deine Herausforderungen? Was ist dein Gurkenbrot? Schreibe mir gerne!